Kapitel 6

Wahrnehmung

Das menschliche Sehen

Warum kann ich beim Schneiden eines Filmes zwei unterschiedliche Aufnahmen aneinander fügen und sie als Teil der selben Situation empfinden?

Unser Auge führt ständig kleine und schnelle Augenbewegungen durch, die verschiedene Ausschnitte unserer Umgebung aufnehmen. Unser natürlicher Sehvorgang liefert uns damit bereits verschiedene separate Eindrücke. Je nachdem, was uns gerade interessiert oder was sich in unserer Umgebung ereignet, sammeln wir diese Informationen und setzen sie in unserer Vorstellung zu einem Gesamteindruck zusammen.

In den letzten 50 Jahren wurde der Prozess des Sehens eingehend wissenschaftlich untersucht. Es wurden Blickbewegungen aufgezeichnet um herauszufinden, wie ein neues Bild vom Betrachter wahrgenommen wird. Danach finden bereits innerhalb der ersten zwei Sekunden unzählige Blickbewegungen über ein neues Bild statt. Die Abbildung unten zeigt ein Beispiel, wie das Bild von den Augen „abgetastet“ wird.
Zwischen diesen unterschiedlichen Blicken finden ständige Anpassungen der Brechkraft der Augenlinse statt, um das jeweils wahrgenommene Detail scharf zu sehen.

Weil unsere Wahrnehmung über die physiologischen Grundlagen hinaus individuellen Unterschieden und Lernprozessen unterworfen ist, befasste sich bereits Anfang des 20. Jahrhunderts die Wahrnehmungspsychologie mit deren Grundlagen.
Die Berliner Schule der Gestalttheoretiker (Wolfgang Köhler, Kurt Koffka und Max Wertheimer)versuchte damals im Experiment zu klären, wie Bilder und deren Bestandteile wahrgenommen werden. Ihre Ergebnisse fassten sie als Gestaltgesetze zusammen.